Auflehnung gegen die Saldernsche Herrschaft entkeimte den Folgen einer Umstrukturierung der Verhältnisse im Jahr 1645. Durch eine Erbteilung spaltet sich das ehemalige Herrschaftsgebiet der Saldern. Plattenburg, der jetzt kleinste Kreis der Prignitz wurde von Hans Siegfried von Saldern bezogen. Er übernahm auch einen erheblichen Berg an Schulden, die er sogleich durch steigenden Druck auf die Bauern loszuwerden dachte. Doch er war nicht sonderlich geschickt, die Bauern wehrten sich. Besonders in Söllenthin, Bendelin, Abbendorf und Vehlin biss er auf Granit. Weil er unlautere Mittel wie Pfändung einsetzte, wurde er sogar vor Gericht gezogen. Übrig blieb eine gereizte Stimmung die noch weitere 30 Jahre anhalten sollte. Auch mit den Pfarrern hatte er sich zerstritten. Diese hetzten die Gemeinden gegen ihren Patron auf. Jacob von Saldern war im Wilsnacker Bereich genauso töricht. Auch waren die beiden Saldernschen Brüder untereinander heftig zerstritten. Pfarrer versuchten die Kontroversen zu schlichten, doch ohne Erfolg. Die Saldern waren zu keinen Kompromissen ihrer Machtausübung bereit. Im Gegenteil, jetzt gingen sie daran Besitztümer der Kirche an sich zu bringen. Die Pfarrer versuchten eine Widerstandsbewegung mit den Bauern aufzubauen. Die Saldern-Brüder waren hier wiederum so geschickt sich bei den Bauern schönzutun und die Pfarrer als gierig, intolerant und hochmütig dastehen zu lassen. Hier hatten sie leichtes Spiel mit dem Volk, denn die Pfarrer waren durch den ständigen Groll missgestimmt, beschimpften die Gemeinde, waren sowieso selbstgerecht. Somit wurde aller Widerstand im Keim erstickt und die Saldern setzten die Bauern weiter unter Druck.
Am 1.7.1676 übernahm der Sohn, Hans Adam von Saldern das Regiment.
Dieser war noch einen Zahn schärfer als sein Vater. Schon nach einem Monat war zu verspüren das er Der Bauernschinder werden sollte.
(Auf dem Bild oben sieht man die Plattenburg noch mit dem alten Turm. Dieser ist später abgebrannt und wurde sehr viel größer wieder aufgebaut)

 

30 jähriger Krieg und Pest setzen der Bevölkerung arg zu. Zu Anfang des Krieges (der aus mindestens 13 Kleinkriegen und 10 Friedensschließungen bestand; hier aber nur in Kürze) ging es wiedermal um religiöse Verschiedenheiten. Er erweiterte sich dann aber zu reinen Machtkämpfen. Es begann 1508 mit dem Böhmisch-pfälzichem Krieg. Der Schauplatz war aber fernab der Prignitz, so dass es sich hier wie ein Märchen aus einer fernen Welt anhörte. Im zweiter Kriegsabschnitt ab 1623 sind die Dänen in Niedersachsen eingefallen. Der Brandenburgische Kurfürst Georg Wilhelm blieb neutral und so konnte man auch in der Prignitz noch sicher sein. 1630 fiel nun das Schwedische Heer in Deutschland ein. Sie drangen über Pommern, Mecklenburg, Sachsen, Bayern bis nach Österreich vor. Eine der größten Schlachten des gesamten Krieges fand bei Wittstock statt - 23'000 Schweden besiegten 30'000 Deutsche. Ab 1635 begann dann der Schwedisch-Französische Krieg wobei auch deutsche Truppen beteiligt waren. Das Spektakel endete 1648 mit dem Westfälischen Frieden. Unter den 17 Millionen Deutschen gab es drei- bis vier Millionen Opfer.

In der Prignitz waren 1635 bis 1639 waren die schlimmsten Jahre, hervorgerufen durch häufige Durchzüge aller möglichen Heere. Sie nahmen in Städten und Dörfern Winterquartier und plünderte die Region bis aufs Letzte. Nach dem Tod des Schwedenkönigs streiften die Schwedentruppen wild umher. Auch Kroaten, die man damals Pollacken nannte, waren zügellos beim Rauben, Vergewaltigen, Foltern, Zerstören...

[an dieser Stelle eine Empfehlung für das 'Museum des Dreißigjährigen Krieges' in der Alten Bischofsburg Wittstock oder zumindest für die Internetseite oder diese.]

Zu alledem kam noch erschwerend dazu, dass gerade in diesen Jahren, wie schon vor 200 Jahren, die Pest wütete. Wahrscheinlich wurde sie durch die umherstreifenden Truppen verstärkt und schneller verbreitet. Das deutsche Reich schrumpft auf ca. 10 Millionen Einwohner. Die Prignitz war eine der am schlimmsten betroffenen Regionen: In einigen Landstrichen überlebten nur ca. 10% diese schreckliche Zeit. In Vehlin sind - allein im Jahre 1636 - 104 Menschen der Pest zum Opfer gefallen. Außerdem gab es im Winter 1638/39 eine Hungersnot.

Die Folge daraus war, dass die Bauern ihre Dienste und Abgaben nicht leisten konnten, was dann auch zum Verschulden des Adels führte. Verpfändungen und Zwangsversteigerungen waren an der Tagesordnung. Nach dem Willen des neuen Kurfürsten wurden Leute angeworben und viele Güter neu verteilt. Wiedermal kamen die Menschen aus den Niederlanden, Friesland und Niedersachsen um die Lücken der Prignitz zu füllen. Zwanzig Jahre später gab es eine weitere gewollte und unterstützte Einwanderungswelle von Hugenotten aus Frankreich, Schweizern und Leuten aus der Pfalz. Dieses wiederholte sich 1685-90 nochmals.

 

 

Die 'wüste Feldmark Klein Leppin' zum Zweiten Die neuen Saldern hatte noch heftigeren Streit mit dem Domkapitel als ihre Ahnen. So wurde von den Saldern ein Vorwerk* auf strittigem Land errichtet. Das Domkapitel forderte nun Anteile daran und beschuldigte die von Saldern, unrechtmäßig Pachteinnahmen aus Vehlin zu vereinnahmen. Dabei war das Land damals schon lange an den Bischof verkauft, welcher es wiederum an die Saldern verpfändete, allerdings ohne die Dienste der Vehliner. Saldern wiederum beschwerte sich, dass Leute des Domkapitel unrechtmäßig Sandernsches Holz geschlagen hätten.

Die Vehliner Bauern jedoch bestanden unerbittlich darauf das Land weiter zu bewirtschaften. Schließlich hatten sie seinerzeit dem Bischof Dienste geleistet, damit der Schulze sowie die Gemeinde Vehlin das Land nutzen dürften.



Eine Vehliner Geschichte aus den Siebzigern des 17. Jahrhunderts. Die wüste Feldmark Klein Leppin war, mit notarieller Bestätigung 1539, von dem Schulzen und der Gemeinde Vehlin gepachtet und wurde mit Unterbrechungen seit 135 Jahren von ihnen bewirtschaftet. Nichts Böses ahnend war Johann Schröder aus Vehlin gerade dabei Sommerroggen auszusäen, als der neue Saldernsche Patronat hoch zu Ross angeritten kam, ihn unwirsch beschimpfte und vom Acker jagte. Er notierte sich Vorfall und Namen des Bauern auf einer Schreibtafel und drohte ihm mit Heimzahlung und Teufelsschrecken. Auch ein jeder der sich auf diesem Feldstück blicken ließe würde er zerfetzen, dass ihm "Lappen über die Ohren hängen". Johann Schröder ging schweren Gemütes nach Hause und erzählte Vorgefallenes. Seine Frau bracht zugleich in Tränen aus. Ihm war Angst und Weh, als wenn Himmel und Erde gleichzeitig auf ihm gelegen hätten...

Der Streit um diesen Stück Land sollte noch weitere Jahre anhalten.


Der feine Herr von Saldern war aber auch der Familie gegenüber zügellos. Es entwickelte sich ein neuer Bruderstreit, wie schon eine Generation davor, er brach Schränke in väterlichen Gemächer auf, verbot den Untertanen seinem Vater zu dienen, unterstellt dem Vater Mordabsichten ihm gegenüber...
Mit den Jahren verschärften sich die Zusammenstöße und die Willkür Hans Adams von Saldern den Bauern gegenüber. Diese wollten zunehmend, da keinerlei Sicherheiten vorhanden, freie Hofstellen nicht mehr besetzen, entschieden sich häufig für eine vagabundierende Lebensweise. Es herrschte Arbeitskräftemangel. Die Herrschaft übte immer mehr Druck aus um ihren standesgemäßen Wohlstand erhalten zu können. Das wiederum stärke den Selbstbestimmungswillen der Gemeinden.

Den Versuchen der Saldern sich Dienste zu ergaunern, die Kinder überwachen zu wollen - als Erben in ihre Dienste zu überführen (Gesindedienstzwang*), dem Eingreifen wenn sich Bauern in die Ergebenheit anderer Herrschaft flüchteten, begegnete man mit Ignoranz und stillschweigendem Unterwandern von Gesetzen. Insbesondere bei Entscheidungen einer Hofübergabe ließ man sich nicht bevormunden. So kam es nicht zu Leibeigenschaft oder ähnlichen Verhältnissen wie anderswo.

 

 

Das Erbzinsrecht war in der Prignitz üblich. Nach dem Tod der Eltern oder wenn sich diese in das Altenteil zurückzogen, nicht mehr arbeiten konnten, hatte der älteste Sohn Anspruch auf Übernahme des Hofes. Wenn nur ein Elternteil früh verstarb, war eine zweite Ehe die Regel. Die daraus hervorgegangenen Kinder hatten dasselbe Erbrecht, für die Übernahme des Hofes jedoch, hatten Kinder aus erster Ehe Vorrang. Oft gab es komplizierte Abfindungsregeln. Der Hoferbe hatte die Pflicht seine jüngeren Geschwister zu unterstützen solange diese sich noch nicht selber ernähren konnten, mitunter wurden auch das Land geteilt damit die übrigen Anverwandten ihr Auskommen haben. Auch gab es Regeln zur Versorgung Alter, Schwacher und Kranker. Ebenso gab es Grundsätze wie bei Hofübernahme, auch durch Kauf oder sonstiger Weiterführung einer anderen Person, mit den Schulden umgegangen wird. Diese Richtlinien hatten offensichtlich eine lange soziale Tradition in der man bestrebt war Eigentum zu erhalten. Das ganze Dorf zeigte Interesse bei einer solchen Abwicklung. Die Herrschaft griff nur sehr selten in diese Ordnung ein. Diese Selbstregulierung war ungewöhnlich, in anderen Gebieten machte sich zu dieser Zeit schon die römische Rezension breit.

 

 

Der Gemeinderat hatte im Dorf ein wachsames Auge auf die Einhaltung von Bestimmungen. Jeder hatte Leistungen für die Dorfgemeinschaft zu erbringen: Aufforstung, Grabenräumung, Instandhaltung der Grenzsteine und ähnliches. Kleine Streitigkeiten wie Verleumdung, Schurkerei,  unerlaubter Holzeinschlag, überpflügen von Grenzstreifen, Wiesennutzung/Überweidung wurden in der Gemeinde verhandelt. Das schönste war sicher wenn man, statt Strafzettel für eine ordentliche Verhandlung auf dem Herrschaftssitz zu schreiben, dem Betroffenen ein kleines Bußgeld auferlegte, welches dann beim Krüger gemeinsam verprasst wurde. Die Herrschaft wusste von dieser zweiten Instanz, musste sie aber wohl oder übel dulden. Nach wie vor hielt man sich an alte Regeln der Hofübernahme und gab seine Zustimmung wenn von außerhalb eingeheiratet wurde. Damit setzte sich der Rat auch für die Anliegen Einzelner oder der Gemeinde gegenüber der Herrschaft ein.
Man traf sich nach dem Gottesdienst auf dem Kirchplatz, im Haus des Schulzen oder in der Schenke. Es wurden neue Strategien entwickelt, um den immer stärker werdenden Zugriffen der Herrschaft Einhalt zu gebieten. Bei der Wahl des Personenkreises war man sehr flexibel. Endgültige Beschlüsse  fasste der eigentliche Gemeinderat bestehend aus den Hüfnern und Kossäten aber Diskussionen waren in vielerlei Zusammensetzung möglich. Auch das Geplauder der Frauen wurde oft zum Gegenstand einer Sitzung.

 

 

Die Geldwirtschaft war nicht unbekannt, auch hier war man flexibel bei der Verwaltung der Gemeindefinanzen. In den Städten gab es schon bilanzierende Buchhaltung doch in den Dorfgemeinschaften fehlte es an professioneller Hilfe dafür. Statt barem Geld, an dem es immer mangelte, häuften sich Schuldscheine. Man ging aber schon erstaunlich professionell mit fiktiven Geldern um, sie wurden Gewinn bringend angelegt. Ein Problem hatte man dennoch: Deutsche Sprache und Mathematik. Hier musste man die Dienste eines Kundigen in Anspruch nehmen. Das waren z.B. Pfarrer oder Schulze.


Hier ist überliefert dass (schon 1587) der Dorfschulze von Vehlin bei einer Versammlung auf dem Kirchplatz wo auch die Bauernschaft vertreten war den Kassenbericht klargelegt hat. Dabei wurde ein Bauer gerügt, dass an seinem Anteil noch sechs Pfennige fehlten.


Dieses autonome Finanzwesen befähigte die Gemeinde auch größere Geldgeschäfte zu tätigen, Gemeindeglieder konnte sich Geld aus der Dorfbank, dem Kirchenkasten, leihen. Auch lieh sich die Gemeinde woanders Geld und stand für ihre Schulden gerade. Hauptsächlich wurden damit Instandsetzungen an Küster-, Pfarrhaus und Kirche finanziert.
(Bild: Groschen um 1684)

 

 

Bettelei und Diebstahl mehrten sich durch die zunehmende Armut während und nach dem 30-jährigen Krieg und dem Pestausbruch. War ein Bettelnder weg, standen sogleich zwei neu da. In den Städten gab es eine Bettelordnung, einschränkende Rechte um Almosen überhaupt empfangen zu dürfen. Gestohlen wurde überall, meist nur kleine, wenige Sachen. Der illegale Verkauf von eingeschlagenem, lagerndem Holz an einen Hamburger Händler blieb die Ausnahme, meist waren es nur kleine Diebstähle ohne größeren materiellen Verlust. Da wurde Stroh und Korn gestohlen, Butter aus der herrschaftlichen Küche an Soldaten verkauft, Vieh auf fremde Wiesen gestellt, die viel besagten Äpfel aus Nachbars Garten bzw. Früchte aus Kohlgärten waren Wettspiel der Jugend, hin und wieder vergriff sich einer an Sachen in der Kirche, an den Diebstahl von Kleidung versuchten sich (verständlicherweise) Durchreisende. Oftmals aber eskalierten Wortgefechte über das Gestohlene zu bösen Beleidigungen und Anschuldigungen, so dass die Sache, um die es eigentlich ging, gar keine Rolle mehr zu spielen schien.
"Du Scheiß Votze, bist du mehr als ich bin?" Solche Beleidigungen oder andere Streitigkeiten, Diebstähle innerorts waren kleinere Vorfälle und wurden vielfach, wie weiter oben schon beschrieben, außergerichtlich in der Gemeinde abgegolten, so dass das Gericht bei einer offiziellen Anklage gar nicht frühere Straftaten einbeziehen konnte.

 

 

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